Reisebericht Nr. 71 - Nordostindien vom 17.10.2019 - 18.12.2019

Bundesstaaten Assam - Arunachal Pradesh - Meghalaya - Nagaland  -  2004km, 24‘519 Höhenmeter

Der Flug bis Dehli problemlos, die Hotelunterkunft dann schon so richtig indisch, schmudelig, mit Kakerlaken und einer Ratte; aber es geht ja nur darum ein paar Stunden auszuruhen, und wenn man müde ist, schliessen sich die Augen von selbst. Am Morgen kommt das Taxi wie bestellt termingerecht, beim Bezahlen aber will der Chauffeur mehr Geld, da er ja so früh aufstehen musste um uns abzuholen. Vor allem Dehli ist berüchtigt für Abriss in allen Belangen. Der Weiterflug ist kurz, knappe 3 Stunden später landen wir in Guwahati, der grössten Stadt im Nordosten Indiens und attraktiv am mächtigen Fluss Bhramaputra gelegen. Ein Taxi ist schnell gefunden, nur stimmt die Markierung auf der Karte des gebuchten Gästehauses nicht, und nach 4 Stunden suchen wird der Taxichauffeur ungeduldig und so steigen wir in einem nicht gebuchten Hotel ab. Am nächsten Tag kam uns der Gastgeber Sahid abholen, und es war ein Glücksfall bei ihm zu wohnen. Bei Sahid fühlten wir uns wie zu Hause, kochten oft zusammen und er zeigte uns die Stadt, fuhr uns zum Commissioner für die benötigte Bewilliging (Protected Area Permit) für Arunachal und zum berühmten Hindu-Tempel Kamakhya. Auf den Strassen ist das Chaos noch grösser als beim letzten Indien Besuch, da ein grösseres Verkehrsaufkommen. Es ist keine Seltenheit dass uns ein Auto auf unserer Fahrbahnseite entgegen fährt, man drängelt und auf der Strasse hats Fussgänger, Karren, Rikschas, Motorräder, Hunde, Kühe, und es wird gehupt was das Zeug hält. Doch erstaunlicherweise geniessen wir dieses Gewusel, die Verkehrsregeln sind relativ einfach und schnell erlernt. Der Stärkere gewinnt und immer nur nach Vorne orientieren, verantwortlich ist der Hintere. Wir sind wieder zurück in Indien!
Die Bewilligung für Arunachal ist eingetroffen und so kanns losgehen. Die Ueberquerung des Bhramaputra mit der Fähre macht, dass wir nicht auf der Hauptstrasse radeln müssen, sondern auf der Nordseite die kleinen Landstrassen fahren können bis nach Mangaldoi. Da Regen eingesetzt hat bleiben wir einen Tag, besuchen den kennen gelernten Buchladen-Besitzer der uns zu Tee und Kaffee einlädt und uns mit Informationen versorgt. Im Hotel klopft es an die Türe und die beiden Hotelboys fragen für ein Selfie. Wir sind die Attraktion schlechthin. Immer wieder werden wir von den Selfie-verrückten Indern gestoppt, gefragt oder heimlich werden tausende von Selfies geschossen auf der gesamten Reise. Da es sehr wenige Touristen gibt die den Nordosten von Indien bereisen, verursachen wir einen Verkehrsstau wenn wir für einen Tee oder das Mittagessen unterwegs stoppen; sofort sind wir umringt von vielen Männern - gut sind wir uns das gewohnt. Aber auch immer wieder werden wir eingeladen zum Tee oder zum Frühstück, die Leute sind sehr gastfreundlich und sie wären enttäuscht wenn wir Ihre Gastfreundschaft nicht annehmen würden, obwohl die Leute hier oft arm sind und ums Ueberleben kämpfen müssen. bedingt durch die enorme Sprachenvielfalt im Nordosten Indiens ist die Amtssprache Englisch, deshalb auch ist die Kommunikation für uns in dieser Ecke noch einfacher als in anderen Landesteilen von Indien.
An der Grenze zu Bhutan können wir dann campieren bevor wir vom Staat Assam nach Arunachal Pradesh einreisen. Hier ist auch der Kontrollposten - und glücklicherweise haben wir gleich 2 Kopien angefertigt von der Bewilligung, denn der Beamte will eine und in jedem Hotel muss diese ebenfalls vorgezeigt werden.  Die Strasse windet sich durch den Dschungel hoch und es hat viele farbenprächtige Schmetterlinge. Dann erleben wir wieder einmal das sog. Lichterfest Diwali. Leider ist es mehr ein „Chlöpf“-Fest und wir sind froh in einem kleinen Dorf zu übernachten. Weiter führt die Strasse über einige Pässe mit moderaten Steigungen, sodass wir fast alles fahren können. Richtung Sela-Pass campieren wir nochmals in einem Dorf, um am nächsten Tag über den berühmten in Nebel gehüllten 4200m hohen Pass zu radeln resp. zu schieben. Es ist kalt oben, null Grad, und wir sind froh in einer Militärbaracke uns am Ofen und bei einem Tee aufwärmen zu können. Zum runter fahren sind wir froh um alle Kleider an die wir mitgenommen haben.  Das ganze Tal von Bomdila bis Tawang wird von indischem Militär beherrscht, auch auf der Strasse überholen uns immer wieder ganze Kolonnen von Militär-Lastwagen und hüllen uns in Staub ein.
Tawang auf 3000m ü.M. grenzt an Bhutan und China und ist militärstrategisch wichtig und wurde 1962 von chinesischen Truppen besetzt. Das 400-jährige Kloster ist das grösste buddhistische Kloster in Indien, es beherbergt immer noch 550 Mönche, meist Kinder die zur Ausbildung hier sind. Berühmt wurde das Kloster durch die Beherbergung des Dalai Lama als er im März 1959 aus Tibet floh und danach in Indien Asyl beantragte. Das Hauptheiligtum im Kloster, mit einem 8m grossen Buddha und den mit Goldfäden bestickten Stoffen, beeindruckt mit betörenden Farben.  Auf dieser Höhe sind wir immer froh um Sonnenschein, denn auch in den Gebäuden  wie auch in den Hotels gibt es keine Heizung.
Der Rückweg ist die gleiche Route bis Guwahati, aber nun nehmen wir das letzte Stück mit miserabler Strasse ein Taxi zum Pass hoch . Einen Tag nach meinem 70. Geburtstag erreichen wir Guwahati, und unser Gastgeber Sahid organisiert eine Geburtstagsparty, ein unterhaltsamer und lustiger Abend.
Die Weiterfahrt nach Shillong in Meghalaya ist dann allerdings nicht lustig, zu viel Verkehr, zu viele Abgase. Die Stadt liegt auf vielen Hügeln und die Steigungen sind entsprechend. Von Cherrapunji nach Tyrna sind es dann nur noch 15 km alles runter, doch die Strasse ist dermassen ruppig, dass wir für die 15 km 3 Stunden benötigen. Hier sind wir, weil wir die berühmten lebenden Wurzelbrücken besichtigen wollen. Diese Brücken werden aus Wurzeln des auf jeder Seite des Flusses stehenden Gummibaumes geflochten. Bis die Brücke begehbar ist, dauert es etwa 15 Jahre, doch danach werden die Brücken immer stabiler, mit immer dickeren Wurzeln. Diese Region ist eine der regenreichsten der Erde und so haben die Einwohner (Khasi - indigenes Volk, eine matrilinearre Gesellschaft) auch eine Doppelbrücke gebaut die es ihnen ermöglicht auch in der Regenzeit über den Fluss zu gelangen. Nach den 3000 Treppentritten runter ins Tal wandern wir noch zu den schönen Regenbogen-Wasserfällen - und schlussendlich alles wieder zurück. Muskelkater ist am nächsten Tag angesagt, doch die Wanderung hat sich gelohnt.
Runter an die Grenze von Bangladesch war die Strasse teilweise so schlecht, dass wir sogar abwärts schieben mussten. Am Grenzübergang warten etwa 10km lange mit Steinen beladene Lastwagen Schlangen die jeden Tag etwa 2km weiter fahren können bis sie dann nach 5-7 Tagen die Grenze passieren können. Entlang des neugebauten Grenzzauns haben wir einen tollen Ueberblick auf die endlosen Ebenen Bangladeschs, mit viel Wasser und Reisanbau. Der nächste Tag bringt dann unvorstellbar schlechte Strassen mit groben Schottersteinen - an fahren ist nicht zu denken - nur schieben ist möglich. Dafür bieten sich uns fantastische Aussichten auf die grün bewachsenen Hügelzüge und tiefen Täler. Die Strassen werden auch weiterhin nicht besser und so fluchen wir manchmal lauthals ob dem desolaten Zustand;  abends sind wir mit braunem Staub eingepudert.
Das durch Berg- und Hügelland geprägte Nagaland (Nage ist der Oberbegriff für die indigenen Volksstämme im indischen Nordosten) mit seinen Bergstämmen ist der eigentliche Grund unserer Reise. Hier findet in Kohima das Hornbill-Festival statt. Dies ist wirklich ein Höhepunkt unserer Reise, und für 5 Tage erfreuen wir uns an den Vorführungen ihrer Kultur, Tänze, Bräuche und ihrer Lebensweise.
Auf der Rückreise nach Guwahati - bei welcher wir am ersten Tag 1700 Höhenmeter runter rumpeln können - erleben wir dann einen 8 Tage dauernden Generalstreik. Keine Geschäfte, keine Restaurants - nichts ist geöffnet. Klar gibt es ein Versorgungsproblem für uns, auch die ATM‘s haben kein Geld mehr. Aber Probleme lassen sich ja bekanntlich immer irgendwie - mit Hilfe der sehr gastfreundlichen Leute hier im ganzen Nordost-Indien - lösen. Und für uns gibt es auch Vorteile, denn ausser uns ist niemand auf den Strassen unterwegs, denn diese sind ja blockiert - meist mit brennenden Autopneus - von den gegen das neue Einwanderungsgesetz demonstrierenden Leuten. So gibts keinen Staub, keine Abgase und kein Chaos, selbst auf den Nationalstrassen - eigentlich herrliche Zeiten für Velofahrer. Und der Flughafen wird einen Tag vor unserem geplanten Abflug wieder geöffnet - einmal mehr Glück für uns.