Reisebericht 5: Sibiu (Rumänien) - Moldawien - Odessa (Ukraine) - Krim

Rumäniens Siebenbürgen bezauberte uns mit all seinen schönen Städtchen, viele davon mit den berühmten befestigten Kirchen. Die Leute sind sehr freundlich, immer wieder werden wir beschenkt. Ein Bauer gibt uns einige Äpfel, im Dorfladen in welchem wir unsere Lebensmittel einkaufen, werden wir gleich noch zu Kaffee eingeladen, oder wir machen eine Kaffeepause und da erhalten wir dazu selbstgebackenen Kuchen. Oder wir fragen einen Bauer der gerade sein Heu einbringt, ob wir auf seiner Wiese das Zelt aufschlagen dürfen. Freundlich wird unsere Frage bejaht. Da pflückt uns das kleine Mädchen der Familie einen Blumenstrauss, später kommt das Ehepaar und bringt uns kühles Wasser, und als die Kuh gemolken ist erhalten wir noch eine Flasche mit kuhwarmer Milch. Dann schliessen sie uns in die eingezäunte Wiese ein, denn im nächsten Dorf würden Zigeuner wohnen, und diese würden alles stehlen was nicht niet- und nagelfest sei, klagen uns die Leute hier. Am nächsten Morgen als wir aufwachen ist der Bauer auf dem Nebenfeld am pflügen, und die Verabschiedung ist sehr herzlich.

Unterwegs fahren wir durch die spektakuläre Bicaz Schlucht, mit gewaltigen, senkrecht abfallenden Felswänden. Hier wird vom rumänische Militär abseilen geübt. Auch besuchen wir ein Orthodoxes Kloster und treffen dort auf einen Mönch der hervorragend Deutsch und einige Brocken Berndeutsch spricht.

Die Grenze bei Leuseni nach Moldawien ist schnell passiert, die Zöllner sind sehr freundlich. Die Sprache bleibt sich gleich (Rumänisch), doch die fast uniformen Häuser fallen uns sofort auf. Dann aber auch die endlos weiten Felder mit Mais, Sonnenblumen, Getreide und Reben. Moldawien ist - so wenig wir gesehen haben und das beurteilen können - ein armes Land. Für uns bedeutet dies dafür wenig Verkehr und angenehmes Radfahren.

An einem Weiher lassen wir uns verleiten ein Bad zu nehmen, ebenso wie die jungen Leute des naheliegenden Städtchens es tun. Dies bekommt uns allerdings schlecht (was konkret heisst, dass wir 2 Paar Unterhosen anziehen für alle Fälle!!). Oder vielleicht war der hausgemachte Wein den wir probierten, das aus dem Ziehbrunnen abgefüllte Wasser oder das in altem Oel gebackene Küchlein der wirkliche Grund? Unsere ersten Magen-Darm-Probleme auf dieser Reise, dann Temperaturen bis 42 Grad, abends ein zeckenversäuchtes Waldstück in welchem wir campierten - so ist reisen nicht mehr vergnüglich. Aber alles hat ja bekanntlich ein Ende. Die wogenden, goldgelben Kornfelder die sich über die sanften Hügel hinziehen machen dann alles wieder wett und sind ein Genuss fürs Auge.

In der ersten Stadt in der Ukraine übernachten wir im Hotel um uns richtig zu erholen, die Wäsche zu waschen und alle Batterien wieder aufzuladen. Schnell sind wir dann im interessanten Odessa, die sog. Perle am Schwarzen Meer. Hier bummeln wir in der Stadt umher, genehmigen uns Espressi und hie und da ein Bierchen, beobachten die flanierende Menge. Die Frauen hier lieben Gold, hochhakige Schuhe, kurze Röcke, grosszügige Ausschnitte. Die staubige und heisse Stadt ist sehr reizvoll mit seinen unzähligen monumentalen Gebäuden und den vielen Parks. Die Oper im Renaissancestil soll eines der schönsten Gebäude Europas sein. Am meisten beeindruckt waren wir von einem Handelskomplex in typisch russisch-imperialen Stil der Jahrhundertwende. Diese Stadt hat ein Flair und eine Atmosphäre die uns in ihren Bann zog.

Von Odessa in die Krim - wir wussten es - mussten wir auf einer vielbefahrenen Hauptroute fahren. Wenn es uns zu lärmig und nervtötend wurde, wichen wir auf Nebenstrassen und Feldwege aus. Dies war möglich, weil wir von russischen Velofahrern, die uns auch gleich noch zu Wein, Brot und Wurst einluden, eine Strassenkarte 1:200'000 erhalten haben. Wie immer bei Ausweichrouten ist dann der Weg weiter, z.B. statt 16 km Hauptstrasse, radelten wir 54 km. Wir kämpften auch oft mit bönartigem Seiten- und Gegenwind. Dieser liess uns schwanken und warf uns auch hie und da von der Strasse. Pius sieht in allem etwas Positives. So meint er: "Gut, dass die Strassen von Bäumen gesäumt sind (übrigens meistens Nussbäume), sonst müssten wir die Velos tragen.

Eines Nachts spannen wir in einer Blitzaktion die Hülle über unser Zelt, denn es zieht ein Gewitter auf. Dieses wächst an zu einem Orkan und fegt über unsere Köpfe hinweg. Wir sind froh, in einem geschützten Waldstück unser Zelt aufgeschlagen zu haben. Beim Frühstück stellen wir fest, dass wir unsägliches Glück gehabt haben. Der Sturm spaltete einen grossen Baum gleich hinter unserem Zelt, liess diesen jedoch noch nicht umstürzen.

Als wir endlich die Halbinsel Krim erreichten, feierten wir dies mit einem kühlen Bierchen. Die Freude wurde gleich danach etwas getrübt. Der Norden der Krim ist von Bewässerungskanälen durchzogen, und als wir einen Ort zum Zelten suchen, attackieren uns ganze Moskitoschwärme. Wir radeln weiter bis es anfängt dunkel zu werden, schlagen dann schnellstens unser Zelt auf und hüpfen sofort hinein. Zum Nachtessen gibts Brot und Käse, vor den Moskitos geschützt, im Zelt drin. Trotzdem ist Pius's Körper mit über 200 Stichen übersät.

Entlang der Westküste finden wir bezaubernde, einsame Buchten, imposante Cliffs und schöne Sandstrände. An einem dieser Strände faulenzen wir einige Tage, schwimmen im sauberen Meer, lesen, schlafen und campieren da zusammen mit hunderten von Ukrainern, welche dank Constitution Tag ein verlängertes Wochenende am Schwarzen Meer verbringen. Das "Flüchtlingslager", wie Pius den Camp scherzend nennt - verfügt über zwei Toiletten die übervoll sind und deshalb nicht mehr benutzt werden können. Wasser ist (ausser dem Meer natürlich) keines vorhanden. Gekocht wird auf dem Feuer. Die Zelte sind sehr einfach, oft auch nur aus Tüchern aufgebaut. Die Leute hier sind noch nicht so verwöhnt wie wir, das stellen wir täglich fest, und dabei doch zufrieden und sehr herzlich. Auch das Einkaufen ist etwas anders als bei uns. Am Brotstand erfahre ich von der freundlichen Frau, dass heute kein Brot erhältlich ist, aber Morgen früh. Um 8 Uhr bin ich da, die Schlange zählt schon etwa 50 Leute. Der Lastwagen mit der Brotlieferung ist eingetroffen, das Brot wird entladen und muss dann zuerst eingeräumt werden - das dauert. Dann stelle ich fest, dass jeder Brot für mehrere Tage einkauft. So tue ich es den Einheimischen gleich. Das ist auch im Laden so. Man kauft was angeboten wird. Im Moment werden an jeder Strassenecke Melonen feilgeboten. Auf dem Markt wird die Auswahl an Früchten und Gemüse täglich vielfältiger, somit auch unser Essen welches wir meist selber zubereiten. Auf unserem täglichen Speiseplan steht stets auch Gurken-/Tomatensalat.

Die Fahrt durch die trockene, flache Steppe ist oft eintönig, hier im Süden ist die Landschaft dann aber wieder etwas hügeliger und sofort reizvoller. In der Steppe wächst das sog. Federgras (sieht aus wie Hafer), dieses macht uns gelegentlich mit seinen Widerhaken zu schaffen, diese kleben an den Schuhen, den Socken, den Hosen fest.

Einen Abstecher von der Küste ins Landesinnere führte uns zu einer Felsenstadt aus dem 6. Jh., einem alten Felsenkloster und zum Palast der Krim-Khane. Dieser ist schön renoviert und zeigt auf eindrückliche Art auf, wie die Herrscher vom 15.-18. Jh. gelebt haben.

Nach 4700 Kilometern und 37'000 Höhenmetern Velofahrt mit vielen persönlichen Erfahrungen, Eindrücken und Erlebnisen sind wir in Sevastopol eingetroffen, einem Militärstützpunkt. Diese Stadt war bis 1996 "geschlossen" (keine Touristen). Wir campieren auf einem Zeltplatz am nördlichen Rand der Stadt. Während ich hier nun für einige Zeit einen Russischkurs besuche, geniesst Pius das Strandleben und plant die weitere Reise. Unsere vorgesehene Route müssen wir ändern, denn von einer Reise nach Georgien rät das EDA dringend ab. So werden wir versuchen eine Fähre nach Istanbul zu buchen, und dann von dort aus weiter zu reisen.

Unsere Knie und Hüften haben diese Reise mit allen Strapazen bis anhin gut überstanden, dies verdanken wir zu einem grossen Teil Herrn Manser vom Gesundheitszenter in Winterthur. Dank seinen Tipps, Informationen und seiner Behandlung sind wir fit gestartet und wissen uns nun auch unterwegs zu helfen wenns mal schmerzt. So hoffen wir, noch lange weiter radeln zu können um noch mehr von dieser Welt entdecken zu dürfen.