Reisebericht Sued-Indien Nr. 51, 15.11.2011 - 22.2.2012

Bombay - Ratnagiri - Goa - Badami - Hampi - Shimoga - Belur - Mysore - Tholpetty - Ooty - Valparai - Kochi - Varkala

Von Bombay, respektive von Wilfrieds grosszuegiger Gastfreundschaft, faellt es schwer sich zu trennen. Doch nach einer Woche verwoehnt werden, bringt uns die Faehre nach Mandwa, ein idealer Weg als Radfahrer Bombays Chaos hinter sich zu lassen. Auf meist verkehrsarmen Nebenstrassen mit viel auf und ab, durch friedliche Doerfer mit typischem indischen Leben und mit erstaunlich geruhsamem Campieren, erreichen wir nach einer Woche Goa. Palmengesaeumte weisse Sandstraende laden zum Bade und zu suessem Nichtstun ein, ein tropisches Paradies mit allen touristischen Annehmlichkeiten.
Wieder im Sattel, geraten wir auf Abwege. Auf einer schlammigen Strasse die nur zu einer Mine fuehrt, donnert ein Lastwagen durch eine Pfuetze und Pius und Fabian sehen aus als haetten sie sich im Schlamm gewaelzt. Waehrend des Versuches die rote Sauce abzuwaschen sind unsere Velos an der Strasse geparkt. Ein Lastwagen uebersieht mein (Margrit) Fahrrad, reisst dieses um und der schwere Lastwagen rollt ueber den Velo-Lenker. Dank Fabians schneller Reaktion ist "nur" der Lenker stark in Mitleidenschaft gezogen, sodass dieser von Pius mit Hilfe eines starken Astes mehr oder weniger zurecht gebogen werden kann.

Radfahrtechnisch wird uns hier in Sued-Indien alles abverlangt. Es geht ueber Schotter-Straesschen, es muss ueber steinige, steile Naturstrassen (manchmal zu zweit) geschoben werden - o.k., es ist ja bloss 35 Grad warm - und bei Abfahrten erreichen wir oft eine Hoechstgeschwindigkeit von 7 - 8 Stundenkilometern!, was dann gleichbedeutend ist mit Handgelenk und Schulterschmerzen. Doch es gibt auch viele ganz tolle Strassen mit feinen Belaegen und Traumabfahrten, die genussreichste war 45 km lang ohne die kleinste Gegensteigung, eine Schussfahrt von 1900 Hoehenmetern!

Landschaftlich gibts viel Abwechslung; Mais-, Reis-, Hirse-, Zuckerrohr-, Erdnuss-, Sonnenblumen-Felder, Kokosnuss- und Bananenplantagen. Stoppen wir in einem Dorf sind wir schnell von Leuten umringt. Die Inder sind im allgemeinen sehr freundlich, hilfsbereit und neugierig. Die Standard Fragen lauten: Your name? Country? Werden wir zur Indien Radreise befragt, zeigt die Geste die sie machen, muehelos darauf hin, was sie davon halten. Mit der flachen Hand tippen sie sich auf ihre Stirne, was natuerlich bedeutet: verrueckt. Denn warum sollte man Fahrrad fahren wenn doch der Tourist sicher Geld genug haette ein Motorrad zu kaufen? Aufzupassen gilt es auf Hunde, Huehner, Schweine, Kuehe, die vielen Leute und nicht zu vergessen die Autos und Motorraeder die huuuuupen, hupen und nochmals auf sich aufmerksam machen. Oft eine Tortur fuer das Gehoer, sodass Fabian dazu uebergeht das rechte, dem Verkehr zugewandte Ohr (es ist ja Linksverkehr) mit Oropax zu schuetzen. Wer Menschennaehe scheut, keinen Laerm ertragen kann oder nicht ueber sich selbst lachen kann, der sollte Indien nicht als Raddestination aussuchen. Vor allem die Schulkinder, die in Massen Ausfluege zu kulturellen Staetten unternehmen, stellen unweigerlich die ueblichen Fragen. Zudem wollen sie den Fremden die Hand schuetteln, was sie wiederum zum kichern bringt und oft wird laut ueber die Fremden gelacht.

Die Felsheiligtuemer in den Sandsteinklippen von Badami erinnern uns an Petra. Die hinduistischen Kulthoehlen wurden im 6. und 7. Jhd. in den Fels gehauen und beeindrucken vor allem wegen ihrer mit Goettern und Figuren geschmueckten Saeulen.

Hampi - die Hauptstadt des letzten grossen Hindu-Reiches - muss in ihrer Bluetezeit im 15. Jhd. bis zum Untergang durch die muslimische Eroberung eine glanzvolle Weltstadt gewesen sein. Heute zeugen noch verstreute kunsthistorische Tempel und Palaeste von der ehemaligen Pracht. Uns gefaellt vor allem die spezielle Landschaft mit ihren grossen Granitfelsen und die Lage am Fluss. Hampi ist ein hinduistischer Pilgerort, und so erhalten wir Gelegenheit zuzusehen, wie der Tempelelefant, nachdem er eine Muenze entgegennimmt und seinem Mahout (Elefantenfuehrer) reicht, den Geldgeber mit seinem Ruessel segnet. Der Glauben ist in Indien sehr wichtig, so duerfen wir oft erleben wie vor kleinen Schreinen gebetet wird, nicht ohne vorher mit der Glocke zu laeuten um die boesen Geister zu vertreiben und die Gottheit auf seine persoenlichen Anliegen aufmerksam zu machen.

Belur und Halebid sind weitere Highlights und fuer uns die beeindruckendsten der Steinmetzkuenste, mit wunderbaren Reliefs und detailreichen Figuren. Die Puja (Zeremonie) im Tempel mit der Gottheit Vishnu zeigt einmal mehr wie tief religioes die Hindus sind.

Bylakuppe, der Ort welcher 20'000 Exiltibetern und 5'000 Moenchen nach der Annektierung Tibets 1959 Unterschlupf gewaehrte, fahren wir an, weil uns die Momos (tibetanische Ravioli) ebenso lockten wie der goldene Tempel mit seiner 18 m hohen vergoldeten Buddha-Statue.

Mysore ist eine typisch Sued-Indische Stadt welche die Touristen anzieht wegen dem maerchenhaften Palast. Dieser ist nachts mit 97'000 Gluehbirnen beleuchtet, was wohl jedermann an die Geschichten aus 1001 Nacht denken laesst. Im Innern des Palastes wird uns vor Augen gefuehrt, wie die Maharajas gelebt haben; prunkvoll verzierte Saeulen, Decken- und Wandmalereien, ein vergoldeter Thron auf welchem der Koenig bei Festen auf dem Elefanten ritt, wundervolle Einlegearbeiten in Marmor oder silberne Tueren.

Im Nationalpark Tholpetty bieten sich Jeep-Safaris an, eine schoene Tour, aber ausser Bisons, Affen und Hirschen zeigte sich nichts. Nach einer Durchfall-Kur, welche sage und schreibe 6 Rupees (=12 Rappen) kostete, sind wir wieder fit fuer die Kletterarbeit aufs 2200 m hoch gelegene Ort Ooty. Die in allen Gruentoenen leuchtenden Tee-Plantagen und Kaffee-Straeucher auf welche sogar die Kolumbianer eifersuechtig waeren, sind ein Augenschmaus und lassen die Hoehenmeter vergessen. Beim durchqueren eines weiteren Nationalparks, 60 km einsamer Dschungelpfad, warnen uns die Leute uns vor den wilden Elefanten. Aber keiner laesst sich blicken, obwohl viele "Hinterlassenschaften" entlang der Strasse deponiert sind.

Bevor wir in Fort Cochin eintreffen wo wir ein freudiges Wiedersehen mit Andreas und Patrick feiern, werden wir von Zeitungs-Journalisten und danach noch vom Fernsehen interviewt.

Die beruehmten Backwaters erleben wir dann auf einer Faehre, welche durch enge Kanaele von Kottayam nach Aleppy gleitet. Die tropische Natur, das gemaechlich scheinende Leben, leuchtend gruene Reisfelder, im Wasser planschende Kinder machen die nochmalige Fahrt auf einem Schiff nach Kollam zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Varkala, ein hinduistischer Pilgerort, ist fuer uns vor allem ein Platz am Strand um auszuspannen und die letzten Tage des Beisammenseins mit Tanja und Fabian zu geniessen. Hier erlebten wir ein eindrucksvolles Tempelfest mit einer Prozession, Taenzen, Trommlern und geschmueckten Elefanten. Aber natuerlich gibt es in Indien auch viel Negatives, wie Armut, Ueberbevoelkerung, Korruption, Dreck, Umweltverschmutzung um nur einige der Probleme zu nennen. Doch Indien uebt eine grosse Faszination aus auf uns, die Kultur ist ueberwaeltigend und das Essen ist absolut fantastisch.

Schlammschlacht

typische Strassenszene

Ochsenkarren

farbenfrohes Hampi

farbenprächter Tempel

Steinmetzkunst in Halebid

Mysore Palast

Treideln in den Backwaters